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BERUF & KARRIERE Flexible Modelle gewinnen an Bedeutung

Die Pflegebranche kommt bei der Arbeitszeit ihren Mitarbeitern entgegen. Auch wenn die Erstellung der Dienstpläne dadurch aufwendiger wird.

Der Nachfrage nach Teilzeitarbeit nimmt auch unter Pflegekräften zu. Mit verschiedenen Modellen versuchen Arbeitgeber, den Wünschen entgegenzukommen. FOTO: MARIJAN MURAT/DPA/DPA-TMN

Florence Nightingale gilt als die Begründerin der professionellen Pflege in der westlichen Welt. Die Krankenschwester arbeitete im Krimkrieg von 1853 bis 1856 in einem Lazarett. Dort legte sie die Grundlagen für einen professionellen Krankenhausbetrieb. Reformen im frühen Gesundheitssystem in Großbritannien gehen auf ihre Schriften und Ideen zurück. Und auch später hat der Pflegeberuf einen interessanten Wandel durchgemacht.

Heute ist allerorten von einer Pflegekrise durch Überlastung und Personalnot die Rede. Das hängt auch mit dem allgemeinen Fachkräftemangel zusammen. Allerdings ist etwa die Vorstellung, dass man vielleicht in einem Restaurant nicht so schnell bedient wird, deutlich weniger erschreckend, als wenn man im Not- oder Krankheitsfall ohne Versorgung auskommen zu müssen.

Und doch: Der Blick muss sich weiten. Wie fast überall lohnt es sich, hinter die Fassade zu schauen. So sagte etwa Sylvia Bühler, Mitglied des Bundesvorstands der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, mit Blick auf die Ausbildungszahlen für das Jahr 2021, die vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht wurden: „Die Pflegeausbildung ist beliebt.“ Fünf Prozent mehr als 2020 hatten eine entsprechende Ausbildung begonnen – insgesamt waren es rund 56.300 Menschen.

„ES IST NICHT ALLES IMMER ERFÜLLBAR, AUCH DAS MUSS KLAR SEIN. ABER GRUNDSÄTZLICH VERSUCHEN WIR, LÖSUNGEN ZU FINDEN“

Mike Richter, Leitender Pflegemanager

Es tut sich also etwas, auch wenn Gesetzgeber und Arbeitgeber ihrerseits gefordert sind, den Beruf attraktiv zu machen, um auch weiterhin für eine entsprechende Ausbildungsfreude bei jungen Menschen und Quereinsteigern gleichermaßen zu sorgen. Etwa durch Arbeitszeitmodelle, die den Beschäftigten deutlich mehr Flexibilität bieten als die früher gängigen Vollzeitstellen oder 50-Prozent-Teilzeitstellen. Bei den Kliniken Maria Hilf in Mönchengladbach etwa, einem akademischen Lehrkrankenhaus der RWTH Aachen, geht man diesen neuen Weg schon seit einiger Zeit. „Wir hatten immer schon Vollzeit- und Teilzeitkräfte mit unterschiedlichen Umfängen“, sagt Volker Bialy, zusammen mit Mike Richter Leitender Pflegemanager der Klinik und Stellvertreter der Pflegedirektorin Birgit Gillmann. Allerdings sei heute ein deutlicher Trend in Richtung der Teilzeit bemerkbar. „Das merken wir auch schon bei Berufsanfängern. Das Thema der Work-Life-Balance gewinnt mehr und mehr an Bedeutung“, sagt Mike Richter. Dabei gehe es darum, möglichst flexibel auch auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter einzugehen. „Natürlich muss man dann sehen, wo es sinnvoll ist, die Pflegekräfte einzusetzen“, betont Bialy. So sei es etwa schwer möglich, einen Berufseinsteiger mit einem geringen Umfang, etwa einer 20- oder 30-Prozent-Stelle in der Stroke Unit oder der Intensivstation einzusetzen. „Man geht hier von einer notwendigen Einarbeitungszeit von einem halben Jahr mit einem Stellenumfang von wenigstens 80 Prozent aus“, sagt er. Allerdings sei es überhaupt kein Problem, eine berufserfahrene Pflegekraft auf einer normalen Station in geringem Umfang einzusetzen.

Letztlich geht es darum, neue Synergieeffekte zu schaffen. „Es ist nicht alles immer erfüllbar, auch das muss klar sein. Aber grundsätzlich versuchen wir, Lösungen zu finden“, sagt Mike Richter. So gibt es im Leben auch mal besondere Zeiten, wenn etwa Angehörige gepflegt werden müssen oder sich eine private Lebenssituation drastisch verändert. Dann ist es gut, wenn die Teilzeit als flexibles Modell möglich ist. „Bei uns ist es etwa so, dass wir Frauen beschäftigen, die erst ab 17 Uhr arbeiten können, wenn dann etwa der Partner von der Arbeit nach Hause kommt und auf die Kinder aufpassen kann“, berichtet Richter. Einen weiteren Synergieeffekt bringe der sogenannte „Flex-Pool“, sagt Volker Bialy. „Das ist ein Mitarbeiter-Pool, den man früher als Springer-Pool bezeichnet hat. Also Mitarbeitende, die bei Bedarf in unterschiedlichen Bereichen eingesetzt werden können. Wir nennen sie Spezialisten.“

„DIE PLANUNG IST BEI DEN FLEXIBLEN EINTEILUNGEN DER MITARBEITENDEN SICHERLICH ETWAS UMFANGREICHER. ABER ES MUSS EBEN EIN UMDENKEN STATTFINDEN, SONST KANN ES KEINE VERÄNDERUNG GEBEN“

Volker Bialy, Leitender Pflegemanager

Insgesamt sei nach Auffassung der beiden Pflegemanager die Bezifferung der Teilzeitumfänge gar nicht so relevant: „Wichtig ist, dass beide Seiten, Arbeitgeber und -nehmer, glücklich sein müssen – denn glücklich geht man gerne zur Arbeit“, sagen sie. Allerdings müsse am Ende eben eine 24/7-Besetzung des Dienstplans gewährleistet sein. „Die Planung ist bei den flexiblen Einteilungen der Mitarbeitenden sicherlich etwas umfangreicher. Aber es muss eben ein Umdenken stattfinden, sonst kann es keine Veränderung geben. Wir sind da aber auf jeden Fall schon sehr viel weiter als noch vor einigen Jahren oder Jahrzehnten“, sagt Volker Bialy. WOLFGANG WEITZDÖRFER

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