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Unternehmen am Niederrhein Vielleicht bin ich selbst ein gutes Beispiel, so der neue Wirtschaftsförderer und EAW-Leiter Lukas Hähnel aus Wesel

INTERVIEW MIT LUKAS HÄHNEL

Lukas Hähnel hat viel vor für den Kreis Wesel und will dafür seine Erfahrung in Brüssel nutzen. Foto: Kai Dauvermann

Herr Hähnel, Sie sind seit dem 1. August in der EntwicklungsAgentur Wirtschaft (EAW) des Kreises Wesel und übernehmen ab 1. Oktober die Aufgaben als Leiter von Michael Düchting. Wie wollen Sie den Kreis weiter voranbringen?
Lukas Hähnel: Der Kreis Wesel bietet eine spannende Kulisse. Die zentrale Lage zwischen Rheinland, Ruhrgebiet, den Niederlanden und dem Münsterland müssen wir in Zukunft noch besser nutzen.

Strategisch sind in der Vergangenheit viele richtige Anker gesetzt worden, an die ich mit meiner Arbeit anknüpfen kann, beispielsweise die Entwicklung von DeltaPort hin zu einem sehr ambitionierten und grünen" Hafen, verbunden mit der Wasserstoffinitiative des Kreises, oder auch die Ökomodellregion Niederrhein zur Stärkung der Wertschöpfungsketten in der Landwirtschaft insgesamt. Auch die Kooperationsstandorte bieten Entwicklungschancen in den nächsten Jahren. Zudem geht der Kreis mit den massiven Investitionen in die Berufsschulen den Fachkräftemangel aktiv an und investiert wie kaum ein Zweiter in die berufliche Bildung. Auch die starken touristischen Ambitionen sind richtig. Um es bei allen bestehenden und massiven Herausforderungen auf den Punkt zu bringen: Die strategische Lage, der vorhandene gute Wirtschaftsmix, die hohe Lebensqualität und die tolle Natur am Niederrhein sowie die guten Entscheidungen der Vergangenheit eröffnen mir als Wirtschaftsförderer eine gute Basis. All dies will ich nutzen, um das Profil des Wirtschaftsund Tourismusstandorts Niederrhein Kreis Wesel in der Außendarstellung noch weiter zu schärfen.

Was macht den Kreis Wesel als Wirtschaftsstandort zudem noch aus? Hähnel: Der Kreis Wesel ist mit einer guten Mischung aus zum Teil weltweit agierenden mittelständischen Unternehmen, Landwirtschaft, Dienstleistung, Handwerk und Tourismus gut und vielfältig aufgestellt. Aber Lieferkettenprobleme, wegbrechende Absatzmärkte und explodierende Energiepreise machen der Wirtschaft im Moment auch hier zu schaffen. Dazu kommt der Fachkräftemangel. Deshalb muss die EntwicklungsAgentur Wirtschaft (EAW) des Kreises Wesel die Unternehmen dabei unterstützen, sich zukunftsfähig und mit Krisen umzugehen. Die EAW kann den Betrieben und Unternehmen Impulse zu den großen Herausforderungen geben und sie bei Vernetzung oder Fördermittelakquise unterstützen. Meine beruflichen Erfahrungen bei der Europäischen Kommission in Brüssel werde ich sicherlich dabei einbringen. Abgesehen davon sind es insbesondere die hiesigen Menschen und Unternehmen, die den Niederrhein-Kreis Wesel ausmachen. Es gibt tolle Projektideen aus Wirtschaft, Bürgerschaft und Verwaltung. Das reicht von nachhaltigen Verkehrsprojekten über Co-Working-Projekte zu überregionalen Tourismusinitiativen wie den Hohe Mark Steig.

Wo kann er noch besser werden?
Hähnel:
Der Niederrhein Kreis Wesel bietet großes Potenzial für Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Wirtschaft. Das würde ich mit der EAW gerne weiter vertiefen. Wir sollten verstärkt Zukunftsthemen wie alternative Energieträger, innovative Logistiklösungen, Digitalisierung und attraktive Arbeitsmodelle besetzen. Damit begegnen wir dann Herausforderungen, wie fehlenden Fach- und Arbeitskräften oder der Energiekrise.

Wie wollen Sie den Fachkräftemangel bekämpfen?
Hähnel: Vielleicht bin ich als Rückkehrer selbst ein gutes Beispiel: Am Niederrhein geboren und aufgewachsen, bin ich beruflich zunächst ins Ausland gegangen. Da habe ich unter anderem über 13 Jahre in Brüssel gearbeitet, zuletzt bei der EU, unter anderem bei der Europäischen Kommission im Bereich der Internationalen Zusammenarbeit. Den engen Kontakt in die Heimat habe ich immer gehalten. Und seit der Geburt meiner Kinder habe ich auch den beruflichen Weg zurück gesucht. Jetzt konnte ich tatsächlich Familienleben am Niederrhein mit beruflichen Ambitionen unter einen Hut bringen. Der Kreis und seine Kommunen bieten eine hohe Lebensqualität mit der besonderen Mischung aus ländlicher und urbaner Struktur sowie guten Arbeitsplätze im Übergang zu Metropolregionen wir Einheimischen wissen das. Das sollten wir als EAW aber noch besser über unsere Grenzen hinaus kommunizieren; mit einem gestärkten Selbstverständnis und einer starken Dachmarke mit Wiedererkennungswert. Gute Ausbildungschancen und ein kurzer Draht in die heimische Wirtschaft sind grundlegend, um Fachkräfte gut zu vermitteln. Gleichzeitig muss man aber um neue Arbeitskräfte auch aktiv werben.

Aber auch bei den Menschen, die bereits hier leben, liegt noch viel ungenutztes Potenzial. Mit unserer Fachstelle „Frau und Beruf" sind wir bereits heute gut aufgestellt und auch unsere Gründungsberatung ist ein wichtiger Pfeiler. Gut ausgebildete Eltern, die gerne arbeiten wollen, aber aus familiären Gründen nicht können, benötigen zudem mehr und weitere flexible Arbeits- und Betreuungsmodelle, die es ermöglichen, Familie und Beruf besser miteinander zu kombinieren - und das sowohl für Männer als auch für Frauen.

Die Rheinbrücke Wesel, Sinnbild für den Kreis Wesel als Wirtschaftsstandort: ..Wichtige Anker sind gesetzt worden", sagt Lukas Hähnel.

Wie steht es angesichts der globalen Krisen um die Energieversorgung im Kreis Wesel und wie wollen Sie Kostenexplosionen für die Verbraucher vermeiden?
Hähnel: Preissteigerungen werden für viele Verbraucher und Unternehmen zum Problem, mitunter zu einem existenziellen. Auch wenn die Wirtschaftsförderung des Kreises Wesel die Kostenexplosion nicht vermeiden kann, können wir auf andere Weise helfen. Zum Beispiel bei der Beantragung der kürzlich von der Regierung angekündigten Fördermittel oder bereits etablierten Förderprogrammen; Dachbegrünung, Wärmedämmung oder die Installation von PV-Anlagen sind nur einige förderfähige Beispiele. Wir begleiten Privathaushalte und Unternehmen dabei, langfristig ihren Energieverbrauch zu senken und bieten Endverbrauchern und Betrieben kostenlose Beratung zur konkreten Nutzung erneuerbarer Energien und zur Erhöhung der Energieeffizienz an. Zum Beispiel bietet die EAW über die „Vor-OrtEnergieberatung" im Kreis Wesel gezielte und maßgeschneiderte Beratung für einzelne Verbraucher. Das findet in Onlinesprechstunden und vor Ort in allen 13 Kommunen statt.

Der Kreis Wesel plant offenbar, den Niedergermanischen Limes stärker in den Fokus zu rücken. Können Sie uns schon etwas über die Pläne verraten?
Hähnel: Die Anerkennung des Niedergermanischen Limes als Unesco-Weltkulturerbe ist ein gigantischer Schatz, den es jetzt zu heben gilt. Schon heute ist der Archäologische Park in Xanten der Leuchtturm für den Niedergermanischen Limes. Auch andere Städte und Gemeinden arbeiten bereits verstärkt römische Geschichte heraus, zum Beispiel gibt es Ausgrabungsstätten in Moers-Asberg, Wesel und Alpen. Die Kommunen planen zurzeit mit anderen Partnern einen neuen Römer-Rad und Wanderweg. Und dies ist erst der Beginn. Der Niedergermanische Limes wird bei der Weiterentwicklung von Tourismuskonzepten kreisweit künftig eine sichtbare Rolle spielen.

Rechnen Sie trotz der hohen Immobilienpreise mit einem weiteren Zuzug in den Kreis und wie wollen Sie dem begegnen, auch mit Blick auf bezahlbaren Wohnraum?
Hähnel:
Ich glaube, der Zuzug in unseren schönen Niederrhein Kreis Wesel wird in den nächsten Jahren anhalten. Mit Blick auf den Fachkräftemangel liegt darin eine echte Chance, die wir aktiver angehen müssen. Es ist zu erwarten, dass der Immobilienmarkt durch den demografischen Wandel künftig mehr in Bewegung kommen wird. Als Wirtschaftsförderung müssen wir das nutzen, um den Menschen eine Perspektive für bezahlbaren Wohnraum zu bieten, um Bestandsimmobilien zu sanieren und für junge Menschen und Familien aufzuarbeiten. Guter, bezahlbarer Wohnraum muss eines unserer Argumente bei dem Werben um Fachkräfte sein.

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