Unsere Heimat - Emmerich, Rees, Hamminkeln, Isselburg, Wesel Mühle Berg unter sanftem Druck entschlafen

Die Geschichte der Windmühle in Bienen: Das flügellose Denkmal steht sinnbildlich dafür, wie die Müller nach dem Zweiten Weltkrieg zum Spielball der Provinzregierung wurden.

Die Mühle Berg wurde in den 80er-Jahren von den neuen Eigentümern zum Wohnturm umgebaut.

Der „Niederrheinische Volksbote“ druckte am 26. Februar 1857 diese Anzeige: „Unterzeichneter beabsichtigt seine in der Gemeinde Bienen, Flur E. Nr. 289/24 gelegene Besitzung, bestehend aus einem vor einigen Jahren neu erbauten massiven Wohnhaus nebst Hintergebäuden und aus einer ebenfalls vor einigen Jahren neu erbauten Turmwindmühle, enthaltend eine Weizen-, eine Korn-, eine Grützen- und Lohmahlmühle mit 4 Paar guten Steinen, nebst der Grundfläche von 1 Morgen, 120 Ruthen zu verkaufen.“

Ob die Mühle zum Versteigerungstermin am 13. März 1857 einen Käufer fand, ist nicht überliefert. Fest steht aber, dass Hermann Büssing aus Praest am 1. Mai 1903 das Anwesen erwarb. Zu diesem Zeitpunkt war Büssing 29 Jahre alt und bereits ein erfahrener Müller. Zwei Jahre später heiratete er Emma Lörcks aus Borghees. Weil die Ehe kinderlos blieb, nahm Hermann Büssing seinen Neffen, den 1909 in Wesel geborenen Heinrich Büssing-Lörcks als Sohn an. Dieser legte am 7. Juni 1939 seine Müllermeisterprüfung ab und war dem Vater, der 1935 zum Witwer geworden war, eine große Hilfe.

Noch 1938 hatte die Windmühle eine neue Haube bekommen, der Rollenkranz und die Flügel waren repariert worden. Der kleine Familienbetrieb hatte sogar neue Segel für die Flügel angeschafft. Nur wenige Jahre später machte der Zweite Weltkrieg alles zunichte. Im Februar 1945 fiel eine der vielen tausend Stabbrandbomben, die aus britischen Flugzeugen abgeworfen wurden, senkrecht in den Mühlenturm und richtete schwere Schäden an. Am 26. März 1945 stand dann bei den Kämpfen um den Rheinübergang auch das benachbarte Wohnhaus in Flammen. Aus der Mühle konnte nur das Mahlwerk teilweise gerettet werden. Es wurde fortan mit Motorkraft betrieben.

Im August 1946 erhielt Hermann Büssing einen Brief vom Provinzialkonservator der Nord-Rheinprovinz, der vorsichtig anregte, „die alten Flügel wieder anbringen zu lassen, sobald sich diese Reparatur irgendwie materialmäßig wieder ermöglichen lässt“. Dass die Regierung nicht allein aus optischen Gründen den Wiederaufbau der Windmühlen wünschte, verdeutlichte der Konservator in einem weiteren Brief vom Januar 1947: „Die plötzliche starke Stromsperre von morgens 8 bis nachmittags 5 Uhr wirft wieder ein neues Schlaglicht auf die Wichtigkeit der Wind- und Wassermühlen und ihren Antrieb mit Naturkräften. Ich verweise auch auf die außerordentlich günstigen Erfahrungen mit den wenigen Wind- und Wassermühlen, die während der letzten Kriegszeit und im ersten Besatzungsjahr, als es fast nirgendwo Strom gab, ausschließlich die Ernährung der Bevölkerung im weitesten Umkreis gewährleisten konnten.“

Hermann Büssing beantragte zwar keine neuen Flügel, wohl aber zahlreiche „Müllereimaschinen, welche bei der Firma Adolf Baumgarten Mühlen- und Speicherbau in Porta Westfalica für meine Mühle angefertigt werden sollen“. In einem Brief an die britische Militärregierung machte er deutlich: „Die Wiederinbetriebnahme meiner Mühle, die als die einzige Mühle der Gemeinden Bienen, Praest, Grietherbusch, Reeserward, Speldrop und Esserden anzusehen ist, ist unbedingt dringend erforderlich.“ Der Antrag wurde durch die Behörden genehmigt, Büssing investierte 8750 Reichsmarkin den Wiederaufbau der Mühle.

Am 1. Februar 1953 starb Hermann Büssing. Neuer Inhaber der Mühle wurde Heinrich Büssing-Lörcks, dessen Sohn Alfred Büssing-Lörcks von 1954 bis 1963 als Mühlengeselle im Betrieb mitarbeitete. In dieser Zeit wuchs die Konkurrenz durch große Industriemühlen, Genossenschaften und Futtermittelfabriken. Hatte die Regierung nach dem Krieg alle Müller geradezu angefleht, ihre Arbeit wieder aufzunehmen, so sorgte sie nur zehn Jahre später mit dem Mühlenstilllegungsgesetz für das rasche Ende der Windenergie. So stellte auch Heinrich Büssing-Lörcks zum 31. Dezember 1964 den Mahlbetrieb ein und verkaufte bis 1970 nur noch Futtermittel in kleinen Mengen.

Sein Sohn Alfred war beruflich inzwischen zum Zoll in Emmerich gewechselt, da die Übernahme der Mühle ihm keine berufliche Zukunftsperspektive bot. In einer Mischung aus Trauer und Wut schrieb Heinrich Büssing-Lörcks an die Regierung: „Die gute alte Mühle, die in früheren Zeiten einmal ihren großen Kundenkreis hatte, gibt es längst nicht mehr. Wer denkt heute noch an die Kriegs- und Nachkriegszeit zurück? Als die Not am größten war, da war die Mühle im Dorf die nächste! Die zum Teil kleinen Mühlen haben nicht freiwillig die Räder angehalten. Unter sanftem Druck der Großmühlen und landwirtschaftlichen Genossenschaften sind diese Mühlen entschlafen. Unersättlich groß war der Appetit der großen auf diese kleinen Mühlen, da diese auch Futtermittelhandel betrieben haben, um existieren zu können. Da die freie Marktwirtschaft solche Zustände zulässt, verschwanden immer mehr Mühlen von der Bildfläche.“

1980 verkaufte die Familie Büssing-Lörcks das Grundstück samt Mühle. Der Turm wurde von den neuen Eigentümern zu Wohnzwecken umgebaut. 1981 starb der Müllermeister Heinrich Büssing-Lörcks. Ein Mühlstein steht heute vor dem Haus seines Enkels René in Millingen. Alfred Büssing-Lörcks, der als ehrenamtlicher Museumshelfer im Reeser Koenraad Bosman Museum arbeitet und dort auch durch eine Mühlenausstellung des Reeser Geschichtsvereins führte, hütet die alten Fotos, Briefe, Baupläne und Zeitungsberichte, die sein Großvater und sein Vater einst gesammelt haben, wie einen Schatz.

In seinem reich bebilderten Buch „Windmühlen in Rees und den Ortsteilen“ erzählt der Reeser Geschichtsverein von mehr als 20 Windmühlen in Rees, Bienen, Esserden, Haldern, Millingen, Haffen, Vehlingen und Wertherbruch. Das Buch ist zum Preis von zwölf Euro unter www.ressa.de/shop erhältlich.

TEXT & FOTOS: MICHAEL SCHOLTEN


Was Rees im Mai zu bieten hat

Mittwoch, 1. Mai
11 bis 17.30 Uhr
Familientag mit buntem Rahmenprogramm, Festzelt Westring
Donnerstag, 2. Mai
10 bis 18 Uhr
Geführte Radtour nachs'Heerenberg (ca. 61 Kilometer), Treffpunkt: Touristen-Information, Markt 41, Anmeldung: Telefon 02851 51-555
Sonntag, 5. Mai
Ausstellung mit Werken von Ilka Sulten – Malerei, Zeichnungen, Installationen, Objekte, Fotografie, Städtisches Museum Koenraad Bosman, bis 30. Juni
ab 13 Uhr 100 Jahre Tambourcorps Rees, Innenstadt Rees und Bürgerhaus
Dienstag, 7. Mai
19 Uhr
Veranstaltungsreihe„Vom Wissen ins Handeln“: Klimawandel auf der Welt und am Niederrhein, Bergswick 19
Mittwoch, 8. Mai
19 Uhr
Holm Dresslers Multivisionsshow „Mit Wetten, dass....? fing alles an“, Bürgerhaus Rees, Markt 1 Donnerstag, 9. Mai
11 Uhr
Stadtführung „Reeser Stadtbefestigung“, Treffpunkt: Touristen-Information, Anmeldung: 02851 51-555
Samstag, 11. Mai
10 bis 12 Uhr
Gratis-Comic-Tag, Stadtbücherei Rees, Markt 18
Sonntag, 12. Mai
6 bis 8.30 Uhr
Vogelstimmen-Exkursion entlang des Bienener Altrheins, Treffpunkt: Naturschutzzentrum im Kreis Kleve, Niederstraße 3
10 bis 17 Uhr Geführte Radtour „Von Turm zu Turm“ (ca. 40 Kilometer), Treffpunkt: Kirche St. Mariä Himmelfahrt, Anmeldung: Telefon 0285151-555

Freitag, 17. Mai
10 bis 17 Uhr
Geführte Fähr-/Radtour nach Louisendorf und Moyland (ca. 50 Kilometer), Treffpunkt: Touristen-Information, Anmeldung: Telefon 0285151-555
Pfingstsonntag, 19. Mai
14.30 Uhr
Stadtführung„Auf den Spuren der ältesten Stadt am Unteren Niederrhein“, Treffpunkt: Touristen-Information, Markt 41
Pfingstmontag, 20. Mai
11 bis 18 Uhr
Führungen durch die Scholten-Mühle und Rahmenprogramm
Dienstag, 21. Mai
19 bis 21 Uhr
Veranstaltungsreihe„Vom Wissen ins Handeln“: Wie vermeide ich Mikroplastik?, Bergswick 19
Samstag, 25. Mai
14.30 Uhr
Stadtführung „Stadtführung der kurzen Wege“, Treffpunkt: Touristen-Information, Markt 41 Sonntag, 26. Mai
11 Uhr
Führung durch die Burgruine Empel, Treffpunkt: Burg Empel.
ab 13 Uhr Stadtfest mit verkaufsoffenem Sonntag, Innenstadt Rees
Dienstag, 28. Mai
10 bis 17 Uhr
Geführte Radtour nach Megchelen/NL (ca. 50 Kilometer), Treffpunkt: Tourist-Information, Anmeldung: Telefon 02851 51-555

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