WIRTSCHAFT - Krefeld und der Kreis Viersen im Fokus Be brave - nicht brav

Die "Leading Ladies in Town" ermutigen Frauen mit Ambitionen, ihren beruflichen Weg zu gehen. Sie haben in den vergangenen zwei Jahren in Krefeld ein großes Netzwerk geschaffen - gegen den Fachkräftemangel und für mehr Vielseitigkeit in den Führungsetagen.

Beim Auftakt des neuen Krefelder Netzwerkes waren rund 40 Fach- und Führungsfrauen aus Krefeld sowie einige Männer dabei. Foto: LLIT

Wenn Kerstin Abraham auf junge Studentinnen der Hochschule Niederrhein trifft, dann bringt sie ihre eigene Geschichte mit. „Ich war selbst oft eine Exotin in der Branche“, sagt die Vorständin und Arbeitsdirektorin der SWK Stadtwerke Krefeld. Sie kennt die Hürden auf Karrierewegen von Frauen. Sie kennt die starken Netzwerke männlicher Kollegen, die Vorurteile und Sprüche, die Frauen auf dem Weg nach oben begegnen können. Aber Kerstin Abraham glaubt an die Kraft, die in hochqualifizierten Fach- und Führungsfrauen liegt. Und deswegen gibt sie auch dem Mentoring-Programm, das die „ Leading Ladies in Town“ in Krefeld gemeinsam mit der Hochschule Niederrhein und der Unternehmerschaft Niederrhein gestartet haben, vor allem eine Botschaft mit: „Be brave - nicht brav!“ Es geht um Ermutigung und darum, jungen Frauen auf dem Sprung zwischen Hochschulabschluss und Berufseinstieg ihre Möglichkeiten zu demonstrieren - statt ihre Grenzen aufzuzeigen.

Das Mentoring-Projekt oder auch eine monatliche Porträtreihe über Krefelder Fach- und Führungsfrauen gehören zu dem umfangreichen Programm, das die „Leading Ladies in Town“ seit ihrer Gründung im Oktober 2021 in Krefeld bereits umgesetzt haben. Mit der Gründung des Netzwerks reagierten Kerstin Abraham, Mario Bernards (Leiter Nachbarschaftsbüro Chempark Krefeld-Uerdingen), Heike Hinsen (Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Krefeld) und Dr. Inge Röhnelt (Dozentin und Coach) auf eine extrem niedrige Frauenerwerbsquote in Krefeld. „Mit dem Aktionsplan Wirtschaft sollte schon 2019 ein Instrument entstehen, um den Wirtschaftsstandort Krefeld zu stärken“, erinnert Kerstin Abraham. Dazu gehörte auch das Ziel, die Frauenerwerbsquote deutlich zu heben und auch damit dem dramatischen Fachkräftemangel zu begegnen. Während im Bereich der weniger qualifizierten Arbeitnehmerinnen vor allem die Stadt und die Agentur für Arbeit agieren, nahmen Kerstin Abraham und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter die hochqualifizierten Frauen in der Stadt in den Blick und gründeten das Netzwerk “Leading Ladies in Town“ - mit einer großen Auftaktveranstaltung im Oktober 2021. Sie brachten jeweils ihre bestehenden Kontakte mit und hatten im Handumdrehen rund 70 Interessierte an Boardinzwischen gehören mehr als 200 Frauen und Männer zum Netzwerk. Denn: „Bei uns sind ausdrücklich auch Männer willkommen“, sagt Kerstin Abraham und denkt zum Beispiel an die Situation von Vätern, die in ihren Betrieben um Toleranz kämpfen, wenn sie sich stärker in das eigene Familienleben und in die Unterstützung ihrer berufstätigen Partnerin einbringen wollen.

Vor allem aber richtet sich das Netzwerkangebot der „Leading Ladies in Town“ an drei Zielgruppen: an Studentinnen, an Frauen, die etwa nach der Elternzeit ihre Karriere wieder in den Blick nehmen wollen und an Frauen, die bereits auf dem Karriereweg unterwegs sind. „Kurzum: An alle ambitionierten Frauen in Krefeld“, sagt Kerstin Abraham. „Wir wollen topqualifizierte Fach- und Führungsfrauen ermutigen und unterstützen, den Einstieg, Wiedereinstieg oder den Durchstart in ihrer Karriere zu wagen.“

Das bedeutet oft, erstmal einen Blick auf die Haltung zu werfen. Wenn Personalberater auf Männer zukämen und ihnen eine Stelle anbieten, dann sei die Reaktion häufig ähnlich: „Super. Was verdiene ich?“ Die Reaktion bei Frauen sieht meistens anders aus, weiß Kerstin Abraham. Sie fragen sich, ob sie der Aufgabe überhaupt gewachsen sind und überprüfen, wie die Stelle in ihre Lebenssituation passt“, erklärt sie. Deswegen ermutigt sie Frauen, ihre Haltung unter die Lupe zu nehmen und selbstbewusster zu reagieren: „Die erste Frage sollte sein: Habe ich Lust auf diese Aufgabe?“, sagt Kerstin Abraham. Dem Netzwerk sei es wichtig, Frauen für diese Situationen Vorbilder, so genannte „Role models“ anzubieten, also sichtbar zu machen. Ob Studentinnen, Frauen vor dem Wiedereinstieg oder vor großen beruflichen Entscheidungen: Sie sollen die Möglichkeit bekommen, andere Frauen kennenzulernen, die diese Entscheidungen schon getroffen haben, die ihnen von Lösungen berichten und von Türen, die sich öffnen.

Deswegen ist den „Leading Ladies in Town“ die Fortsetzung des Mentoring-Programms nach dem Start im Fachbereich Wirtschaftsingenieurwesen in weiteren Fachbereichen ein Anliegen - die erste Runde liegt bereits hinter ihnen. Und deswegen lädt das Netzwerk auch regelmäßig zu Veranstaltungen ein, die Raum für Begegnung und Austausch schaffen. „Wir sind schon viel sichtbarer geworden“, sagt Kerstin Abraham. Bei der Smart City“ -Strategie der Stadt Krefeld hat das Bündnis mitgewirkt und Ideen zur gendersensitiven Gestaltung der Stadtgesellschaft eingebracht. Im Rahmen des Stadtjubiläums luden die „Leading Ladies“ zu einer Podiumsdiskussion mit erfolgreichen Frauen verschiedener Generationen ein. Und immer wieder gibt es Angebote, um sich selbst für den Weg zu rüsten.

Ihren Erfolgskurs wollen die „Leading Ladies“ konsequent weiterführen: Bis Ende 2024 wolle man sich noch enger mit heimischen Unternehmen - vor allem mit den Personalabteilungen - verknüpfen. Außerdem wolle das Bündnis bei jungen Frauen, also den „future leading ladies“, noch bekannter werden. „Und wir würden gerne die Zahl der aktiv Mitmachenden aus unserem Netzwerk noch erhöhen“, sagt Kerstin Abraham. Inzwischen sind die „Leading Ladies in Town“ unter das virtuelle Dach vom Verein„ Haus des Wissens und der Wirtschaft“ (HdWW) geschlüpft und freuen sich über die neuen Möglichkeiten dieser Kooperation.

Profitieren sollen vom Netzwerk der Frauen am Ende alle: „Nur wenn Teams und Chefetagen vielfältig besetzt sind, werden Unternehmen dauerhaft erfolgreich sein“, ist sich Kerstin Abraham sicher, „unsere Produkte und Dienstleistungen sind besser, wenn sie aus unterschiedlichen Blickwinkeln entwickelt werden. Wir müssen so bunt und divers entscheiden, wie unsere Kunden schon sind.“ THERESA DEMSKI

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