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WIRTSCHAFT Mönchengladbach und Region Handwerk will Stadt der kurzen Wege: Mönchengladbacher Handwerksbetriebe in der Standortumfrage

Standortumfrage der Handwerkskammer: Betriebe sind gut erreichbar, vermissen aber Erweiterungs- und Ausweichflächen – aus Mönchengladbach gibt es mäßige Noten für Angebotsvielfalt.

Die Handwerkskammer Düsseldorf hat Mitgliedsunternehmen in niederrheinischen und bergischen Großstädten befragt. FOTO: TMN

Das Handwerk sichert maßgeblich die Versorgung der Bevölkerung mit Waren und Dienstleistungen. Der wartende und reparierende, bauende und produzierende, mit 5,6 Millionen Beschäftigten auch größte mittelständische Sektor rückte zuletzt vor allem aufgrund seiner unverzichtbaren Ausrüsterund Innovationsleistung für die Energiewende am Gebäude wieder stärker in den Fokus der Öffentlichkeit. Mit ins Bild gerät nun auch zunehmend ein struktureller Nachhaltigkeitsaspekt des Handwerks, dessen Bedeutung für eine dauerhafte Klimaanpassung unserer Lebensverhältnisse kaum zu überschätzen ist, meint die Handwerkskammer (HWK) Düsseldorf: die dezentrale Verortung seiner Betriebe überall in der Fläche, in Stadt und Land. Das Handwerk bildet wie kein anderer Branchencluster ein Netzwerk der kurzen Wege. Das Güter-, Service- und Arbeitsplatzangebot seiner bundesweit mehr als einer Million Firmen ist so lokal verwurzelt und wohnortnah gewebt, wie dies annähernd nur noch für den Einzelhandel gilt, so die HWK. Eine Regional- und Stadtplanung, die der funktionalen Verödung ihrer Zentren entgegenwirken, Klimaneutralität für alle Faktoren der kommunalen Energiebilanz erreichen und gleichzeitig die soziale Balance in ihrem gemeindlichen und Quartiersgefüge erhalten oder verbessern will, komme ab sofort und auf Sicht um mehr und systematischer gerichtete Aufmerksamkeit für die konkreten Standortund Entwicklungsbedingungen des lokalen Handwerks nicht herum. „Das Handwerk ist das wertvollste Pfund eines ökologischen Stadtumbaus,“ bringt es der Präsident der Handwerkskammer Düsseldorf, Andreas Ehlert, auf den Punkt – und mahnt eine eingehendere Berücksichtigung der Belange des Handwerks in der Stadtentwicklung durch Regierung, Rathäuser und Kreisverwaltungen an.

Gestützt wird diese Forderung durch die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage der HWK zu den konkreten Standortbedürfnissen und Gewerbeflächenbedarfen des Handwerks, die die Kammer bei Mitgliedsunternehmen in den niederrheinischen und bergischen Großstädten ihres Bezirks (deckungsgleich mit dem Regierungsbezirk Düsseldorf) durchgeführt hat (Panel: 5612 Betriebe; Rücklauf: acht Prozent / 448 Antworten). Einbezogen waren Mönchengladbach und Krefeld; Wuppertal, Solingen und Remscheid mit zusammengenommen 1,1 Millionen Einwohnern und 14.434 Handwerksunternehmen. Ein Jahr zuvor war auf gleichem Weg die Standortsituation für die Handwerksbetriebe in der Landeshauptstadt analysiert worden. Die Resultate erlauben differenzierte Aussagen für diese Städte über relevante Standortanforderungen der Firmen in den Branchentypen Baustellen-, Werkstatt- (beziehunsweise produzierende) und LadenHandwerke, berichtet die HWK; namentlich für das Bauhaupt- und das Ausbaugewerbe, das Kfz-Gewerbe, die Handwerke für den gewerblichen Bedarf sowie für die Berufsgruppe der personenbezogenen Dienstleistungen, nicht jedoch für die Gewerbegruppen des Lebensmittel- und des Gesundheitshandwerks. Lokale Besonderheiten finden sich im Schlussteil.

Verkehrsanbindung wichtigster Standortfaktor
Dies sind die wichtigsten generellen (für alle einbezogenen Kommunen zutreffenden) Ergebnisse der „Mehr Wohnraum für das Handwerk!“ überschriebenen Studie zum Standort- und Flächenbedarf des Handwerks vor Ort:

Die antwortenden Firmen zählen im Schnitt zehn Mitarbeiter, was über dem Durchschnittswert (sechs Beschäftigte) liegt; Grund: Die Relevanz von Standortfragen wächst mit der Betriebsgröße. Handwerksunternehmen sind sehr standorttreu; im Schnitt seit 17,4 Jahren.

Nur vier von zehn Unternehmen operieren teils oder vollständig auf eigenem Grund; mehrheitlich wirtschaften Handwerksfirmen in Miet- oder Pachträumen. Die Verkehrsanbindung wird von den meisten befragten Handwerksbetrieben als der vorrangige Standortfaktor gesehen (68 Prozent der Rückläufe: „hohe Wichtigkeit“; Mehrfachantworten waren möglich); mit Abstand gefolgt vom Parkplatzangebot und der digitalen Infrastruktur (je 52 Prozent). Rund ein Drittel stuft weitere verkehrliche Standortfaktoren als von hoher Bedeutung an: 33 Prozent die Erreichbarkeit zu Fuß; 30 Prozent den ÖPNV. Je 40 Prozent der Antwortenden halten die Nähe zum Kunden und den Gewerbeflächenpreis für zentral. Je rund ein Fünftel betont die Bedeutung der Verfügbarkeit von Gewerbeflächen, die Aufenthaltsqualität und Nutzungsvielfalt im Umfeld sowie die Kundenfrequenz. Rund die Hälfte der Firmen in den fünf kleineren Großstädten gibt außerdem der Erreichbarkeit per Fuß, Rad oder ÖPNV gute Noten. Im Saldo negativ bewerten die Inhaber in den niederrheinischen Oberzentren und vor allem im bergischen Städtedreieck dagegen das Stellplatzangebot am Standort.

Jeder sechste Handwerksbetrieb will oder muss verlagern – Hauptursache: fehlende Reservefläche. Unzufriedenheit bekundet jedes zweite Unternehmen (49,4 Prozent) auch mit der Verfügbarkeit von Gewerbeflächen – ein Wert ähnlich schwach wie zuvor für Düsseldorf ermittelt. Besonders schlecht – vor allem in Wuppertal und Remscheid  – kommt der Standortfaktor Kundenfrequenz weg. „Ein Alarmsignal vor allem für die Zukunft konsumnaher Anbieter in den Lauflagen“, ordnet Ehlert die Rückmeldung ein.

16 Prozent gab an, den Standort verlagern zu wollen oder zu müssen; weitere sieben Prozent suchen einen zusätzlichen Standort. „Hinzu kommt die Standortsuche durch Gründungswillige“, ergänzt Ehlert mit Blick auf Wirtschaftsförderungsstrategien der Kommunen. Die Gründe: Drei von vier dieser verlagerungswilligen Unternehmen (72 Prozent) fehlen nach eigener Angabe die Erweiterungsmöglichkeiten am Standort. 42 Prozent wollen den Wechsel, weil am alten Standort Parkflächen fehlen. Ein Viertel will einen Modernisierungsstau auflösen. Für nicht Wenige geht es aber auch um die Existenz: 13 Prozent der Firmen beklagen Nachbarschaftskonflikte, ausgelöst durch Emissionen. Immerhin jedem zehnten Befragten wurde das Mietverhältnis gekündigt. Für knapp ein Drittel der Verlagerungswilligen (31 Prozent) ist ein Umzug dringlich und muss eine Lösung innerhalb eines Jahres gefunden werden; für weitere 58 Prozent binnen drei Jahren. Ehlert: „Der Handlungsdruck ist für die Mehrheit der Standortunzufriedenen hoch.“

Benötigt werden vom Handwerk dabei oft nur kleine Flächenzuschnitte bis hin zu Garagen als Läger: Ein Drittel der Standortsuchenden benötigt nur eine Fläche bis 300 Quadratmeter. Als Entlastungslösung bringt die HWK Flächeneinsparungen durch effizientere Flächennutzung ins Gespräch; konkret zum Beispiel eine Nachverdichtung in Form von mehrstöckigen Gewerbeimmobilien. 28 Prozent können sich den Wechsel in einen Gewerbehochbau vorstellen, sofern Lastenaufzüge da sind.

Andreas Ehlert, Präsident der Handwerkskammer Düsseldorf FOTO: HWK
Andreas Ehlert, Präsident der Handwerkskammer Düsseldorf FOTO: HWK

Räume oder Arbeitsgerät gemeinschaftlich nutzen – auch diese Option gewinnt angesichts der Flächenknappheit und -preise als ressourcenschonende Organisationslösung an Bedeutung. Knapp jeder zweite Inhaber würde sich ihr öffnen, für eine knappe Mehrheit sprechen jedoch Haftungs- und Sicherheitsfragen, die erhöhte Geräteabnutzung und/oder ein Verlust an Eigenständigkeit dagegen.

Mehr Anklang finden raumsparende digitale Ersatzverfahren wie 3-D-Druck; den bereits zwölf Prozent der Befragten praktizieren; 42 Prozent überlegen dies. Ein für die Revitalisierung der Zentren besonders relevanter Vorschlag zugunsten einer besseren Flächenauslastung könnte die Nachnutzung leergefallener Ladenlokale in Citylagen sein; 14 Prozent der Antwortenden zeigen sich dafür aufgeschlossen – in der Regel selbst Inhaber von Ladenhandwerken.

Fazit: Wohn- und Gewerbeentwicklung künftig gemeinsam denken  
„Das Handwerk ist ein unterschätzter Teil der lokalen Ökonomie, der zur Verwirklichung einer „produktiven, resilienten Stadt“ mehr beitragen kann, als bisher von Kommunalpolitik und Stadtplanung wahrgenommen ist,“ so Ehlerts Fazit. Das Leitbild der „Stadt der kurzen Wege“ sollte deshalb von Gemeinderäten und Kommunalverwaltungen mit dem Handwerk gemeinsam und konkret im Rahmen von Stadtentwicklungskonzepten bearbeitet und verankert werden“, richtete HWK-Präsident Ehlert eine das Umfragebild zusammenfassende Forderung an die Adresse der Rathäuser in den untersuchten Städten. „Für das Gelingen einer Transformation der Zentren kommt es auf eine urbane, gemischte Nutzung der Quartiere und auf planerisch gesicherte Flächenreserven für eine organische Entwicklung der dort ansässigen Betriebe an. Wir brauchen einerseits kleinteilig nutzbare Areale, andererseits auch neue, größere Gewerbeflächen für emittierende Firmen. Und nicht zuletzt ist auch die Verkehrspolitik ein handfester Standortfaktor. Bemühungen der Betriebe um klimafreundliche Mobilität dürfen nicht durch prohibitive Maßnahmen konterkariert werden“, bilanzierte Ehlert. „Wohn- und Gewerbeflächenentwicklung müssen künftig gemeinsam gedacht und gleichrangig berücksichtigt werden. Auch die Wirtschaft muss irgendwo wohnen.“

DAS SAGTEN MÖNCHENGLADBACHER HANDWERKSUNTERNEHMEN

... in der Standort- und Gewerbeflächenumfrage der HWK:
Positiv: Die Relevanz einer guten Verkehrsanbindung und die Zufriedenheit mit diesem Standortfaktor - sie liegt im Schnitt bei 69 Prozent - befinden sich in den in die Untersuchung einbezogenen mittleren und kleineren Großstädten.
▸Die aus Mönchengladbach teilnehmenden Firmen weisen mit 836,4 Quadratmetern im Schnitt die größte Betriebsfläche auf (Durchschnittsfläche der Betriebe aller fünf Städte: 605 Quadratmeter).
▸Die Zugriffsmöglichkeit auf „verfügbare Gewerbeflächen" wird von den aus der Vitusstadt antwortenden Handwerksunternehmen für wichtiger erachtet als in den übrigen Städten (23,7 Prozent: hohe Wichtigkeit; Durchschnitt aller fünf einbezogenen Städte: 19,3 Prozent). 
▸Weniger Unternehmen als in anderen Städten sagen, dieser Faktor habe nur geringe Bedeutung (39,4 Prozent / Durchschnitt: 47,6 Prozent).
▸Die Mönchengladbacher Handwerksbetriebe zeigen im Vergleich die geringste Zufriedenheit mit Preisniveau für Gewerbeimmobilien; nur 17,1 Prozent sind voll zufrieden; der Durchschnittswert liegt bei 24 Prozent.
▸Ein ausreichendes Parkplatzangebot ist den Mönchengladbacher Inhabern und Inhaberinnen von Handwerksfirmen überdurchschnittlich relevant: 58,6 Prozent sagen: ist ,,sehr wichtig" - im Durchschnitt aller fünf Großstädte sagen dies 51,8 Prozent.
▸Die Nähe zum Kunden spielt für die befragten Handwerker in Mönchengladbach eine weniger starke Rolle: 38,6 Prozent: ,,sehr wichtig" / Durchschnitt: 42,8 Prozent.
▸Eine attraktive Nutzungsvielfalt im Umfeld halten nur 10,7 Prozent (Durchschnitt: 16,1 Prozent) für hoch wichtig.
▸Mit dem umgebenden Kultur-, Freizeit- und gastronomischen Angebot sind nur 14,8 Prozent hoch zufrieden. Der Durchschnitt der Befragten liegt hier bei 19,6 Prozent.
▸Aus den Antworten der Mönchengladbacher Handwerksunternehmen ist die vergleichsweise höchste Bereitschaft zur Nutzung eines leerstehenden Ladenlokals in der City (14,8 Prozent / Durchschnitt: 12,1 Prozent) ablesbar.

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