RP FORUM UNABHÄNGIGE VERMÖGENSVERWALTER Krisenzeiten: Die Antworten der Profis

Corona, Krieg, Inflation: Die Krisenszenarien könnten Anleger verängstigen – müssen aber nicht. Unabhängige Vermögensverwalter zeigen beim RP Forum, mit welchen Strategien sie dagegenhalten.

Fluglotsen sorgen dafür, dass Flugzeuge sicher fliegen, dass Starts und Landungen reibungslos laufen. Ähnliche Aufgaben haben Vermögensverwalter bei der Betreuung ihrer Kunden. Sie sorgen dafür, dass die Anleger sicher auch durch stürmische Zeiten kommen. FOTO: GETTYIMAGES/GORODENKOFF

Selten war die Weltlage so unübersichtlich wie zurzeit. Eine Krise jagt die andere. Zinsen steigen, die Preise ebenso. Märkte wie zum Beispiel der Immobiliensektor geraten ins Trudeln. Und gleichzeitig halten sich etwa die Aktienmärkte robust, aber stark schwankend. Wie können Anleger in diesem Umfeld ihr Vermögen schützen oder gar mehren? Anlagespezialisten mit langjähriger Erfahrung und großem Verständnis für die Anleger können hier Orientierung bieten. Das zeigte wieder das RP Forum Unabhängige Vermögensverwalter.

Orientierung heißt hier nicht, dass alle in die gleiche Richtung weisen - im Gegenteil: Da diese Experten ihre strategischen Überlegungen unabhängig nach eigener Überzeugung ausrichten, kommen sie häufig auch zu unterschiedlichen Einschätzungen der Lage und entwickeln verschiedene Anlagestrategien. Das macht es für Anleger spannend zu schauen, wer wohl am besten zu den eigenen Grundlagen und Ansichten passt.

Viele Unabhängige Vermögensverwalter bieten aber ein aussagekräftiges Instrument zur Überprüfung der Erfolge ihrer Arbeit und zum Vergleich der Strategien. Sie initiieren Fonds, die in die verschiedenen Anlageobjekte – Aktien, Anleihen, Rohstoffe und andere - gemäß der eigenen Anlagephilosophie und -strategie investieren.

Die Bandbreite der Markteinschätzungen wurde bei der von Michael Gillessen (Pro Boutiquen-Fonds) moderierten Diskussionsrunde in der Fortschrittswerkstatt des RP Forums deutlich. So plädierte Thomas Ziemann (Spiekermann & CO) dafür, die Aktienquote zu erhöhen. Die Vermögensverwaltung hat sie in ihrer Strategie bereits auf 80 Prozent gesetzt. Aber Spiekermann wählt die Regionen aus, bevorzugt die USA, die Schweiz und Asien, weniger indes Europa und Deutschland. „Diese schwierigeren Regionen wollen wir eher untergewichten.“

Unabhängige Vermögensverwalter und weitere Anlagespezialisten trafen sich in der Fortschrittswerkstatt des RP Forums, um über die aktuelle Marktlage und Trends der Vermögensverwaltung auszutauschen. FOTO: ALOIS MÜLLER
Unabhängige Vermögensverwalter und weitere Anlagespezialisten trafen sich in der Fortschrittswerkstatt des RP Forums, um über die aktuelle Marktlage und Trends der Vermögensverwaltung auszutauschen. FOTO: ALOIS MÜLLER

Jens Hartmann (ficon Vermögensmanagement) lenkte den Blick auf Technologiewerte. Im Bereich Künstliche Intelligenz gebe es noch genügend Grundvertrauen. Generell sei der Aktienmarkt weiterhin robust. Dividenden-Titel stehen hier bei ficon im Fokus. „Zum ersten Mal seit langem haben wir aber die Bondquoten hochgefahren.“ Anleihen sind durch die gestiegenen Zinsen interessanter geworden. Anleger sähen insbesondere Papiere mit kürzeren Laufzeiten - so Hartmann - als Stabilisatoren im Depot, ebenso Edelmetalle.

Ähnlich sieht es auch Nicolas Pilz (Societas Vermögensverwaltung). Der Anteil an Unternehmensanleihen sei im laufenden Jahr in den Depots deutlich erhöht worden, da erstmals seit vielen Jahren wieder Renditen von vier bis fünf Prozent pro Jahr für einen mehrjährigen Zeitraum gesichert werden könnten. Dies spreche nicht gegen Aktien, aber biete nach Jahren im Nullzinsumfeld wieder mal eine „akzeptable Rendite bei vergleichsweise geringer Schwankung“.

Thomas Hünicke (WBS Hünicke Vermögensverwaltung) bevorzugt das Stock-Picking, also die gezielte und selektive Auswahl von Aktien, insbesondere „gute europäische Firmen mit Potenzial“. Zudem kommen bei dem Düsseldorfer Unternehmen auch Rohstoffe und Edelmetalle - Silber, verstärkt Gold - in Frage. Darüber hinaus fühlen sich Anleger nach Hünickes Beobachtung wohler mit einem Anteil festverzinslicher Papiere. Der Vermögensverwalter wählt hier Anleihen von Unternehmen mit guter Reputation aus.

Ingo Scheper (ICM Investment Bank) hat ebenfalls Anleihen im Blick und schaut nach Kurzläufern (zwei bis drei Jahre) und Anleihen mit großem Emissionsvolumen - diese sind meist vergleichsweise gut verzinst, für einzelne Anleger eher wegen zu großen Stückelungen unzugänglich, wenn sie zu viel Geld in ein Papier stecken. Besser geeignet sind sie für große Vermögen oder Anleihenfonds wie solche, die von der ICM gemanagt werden. Scheper findet Bonds mit bis zu zweistelligen Renditen, sie sollten aber eine Bonität von mindestens BB+ haben. „Bei Aktien sind wir derzeit eher etwas pessimistisch eingestellt“, sagte der Experte und verwies auf rezessive Tendenzen insbesondere in Europa. ICM fährt daher die Aktienquote eher Richtung 60 bis 70 Prozent herunter.

Dagegen zeigt sich Markus Stillger (MB Fund Advisory) als „Dauer-Bulle“: „Langfristig schlagen Aktien den Erfolg anderer Anlageklassen.“ Allerdings funktioniere ein Timing, also die Suche nach dem besten Ein- oder Ausstiegszeitpunkt, in der Praxis nicht, und auf kurze Sicht könne es noch turbulent werden. Stillger verwies auf die Krisen, die die Börsen belasten - die Energiekrise hat sich zumindest mit Blick auf die Strompreise für die Industrie etwas entspannt. Dafür sind in den zurückliegenden zwölf Monaten zwei neue Krisenherde entstanden (Zinskrise und Politikkrise). Der unerwartet starke Anstieg der Zinsen berge die Gefahr einer größeren Wirtschaftskrise. Und die derzeitige politische Führung in Berlin mache alles andere als einen souveränen Eindruck. Dennoch: „Aktuell sind viele Aktien sehr billig und sollten nicht weiter fallen.“ Die Zinsentwicklung müsse man aber im Blick behalten.

Michael Gillessen stimmte dieser Krisenanalyse zu. „Die Märkte haben auf die Krisen bisher kaum reagiert.“ Da stelle sich die Frage, ob das „dicke Ende“ noch komme. Zumindest die Krisenintervalle werden kürzer, bemerkte Hünicke dazu, wobei er die Auswirkungen der Krisen nicht dramatisieren wolle. So sei der Gaspreis zu Jahresbeginn wieder gesunken, und die gestiegenen Zinsen habe der Markt im Großen und Ganzen einigermaßen weggesteckt. Unternehmen und Staaten hätten sich in der Niedrigzinsphase mit Liquidität vollgesogen, merkte Hartmann an. Sollten die Zinsen hoch bleiben, könnten in ein paar Jahren Refinanzierungen zu Problemen führen.

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